Sonntag, 20. Juni 2010

Sommer, Sonne...? Main.

Die diesjährige "Sommerfahrt" unserer Vereins-Kanuwandergruppe sollte mal wieder an den Main gehen. Bewährt hat sich dort der kleine und feine Zeltplatz des Kanu Club Klingenberg, eine idyllische Wiese mit schattigem Baumbestand, Bootsanleger und Pferden in der Nachbarschaft. Freitag Vormittag lud ich dann bei herrlichem Wetter an unserem Bootshaus mein Kajak auf mein Auto und reiste als Vorhut der Gruppe an. Und während sich ganz Fußballdeutschland langsam auf das Spiel gegen Serbien einstimmte, hatte ich in Klingenberg mein Zelt aufgebaut und bereitete mich auf eine kleine Paddeltour vor. Bei einem Spielstand von null zu null und zunehmend enttäuschten Kommentatoren des Bayrischen Rundfunks setzte ich mein Boot ein und paddelte Main aufwärts.

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Auf dem Wasser war es spürbar windig. In diese Richtung hatte ich ihn aber noch im Rücken. Feiner Ausgleich: erst gegen den Strom mit dem Wind, dann auf dem Rückweg mit dem Strom gegen den Wind. Damit kann man leben. Mir fiel jedenfalls auf, dass auf den ganzen Campingplätzen ringsum fast keine Menschenseele zu sehen war. Dabei hatten sich doch so viele Leute extra wegen Fußball frei genommen und selbst ich war plötzlich neugierig, wie sich das Spiel wohl entwickelt hatte. Nirgends das Tröten einer Vuvuzela zu vernehmen, überall verdächtige Stille. Beim THW waren gerade ein paar Leute dabei, eine kleine schwimmende Bühne in Position zu bringen. Die brachten mich dann im Vorbeipaddeln auf den aktuellen Stand. Serbien hatte also ein Tor geschossen und über Fußballdeutschland breitete sich Stille aus. Herrliches Paddelwetter, Rückenwind, ab und zu ein Binnenschiff und ein paar Autos auf der Landstraße. Ansonsten genießerische Ruhe auf und um das Wasser. So gelangte ich dann an die Schleuse bei Heubach, wo ich mich eine kleine Weile treiben ließ. Dann machte ich mich auf den Rückweg. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass die Partie eigentlich vorbei sein sollte. Stille um mich herum. Keine lärmenden Autokorsos, keine Böller, der Ausgang des Spiels war klar. Naja, so viel zu der ganzen Begeisterung nach dem ersten Spiel. Ich hatte aber ganz andere Sorgen. Der Wind kam nun von vorne und frischte plötzlich mächtig auf. Also legte ich mich etwas mehr in die Riemen und ließ mein Boot durch die tanzenden Wellen pflügen. Heisa, das machte richtig Laune und ich hatte einen guten Tag erwischt. Ich spürte, dass ich das Tempo noch etwas anziehen und auch länger durchhalten konnte. Ich hatte wohl gut gefrühstückt. Also wollte ich es darauf ankommen lassen und schauen, wie weit ich es in flotter Fahrt schaffe. Verdammte Versuchung immer wieder. Und tatsächlich kam ich in überraschend kurzer Zeit wieder zurück an den Bootsanleger. Der Gegenwind war irgendwann zwischendrin abgeflaut und ich hatte recht gut Fahrt gemacht. Obwohl ich ja eigentlich seit dem Rheinmarathon etwas Probleme mit dem linken Unterarm habe und mich eher schonen sollte. Aber für was hat mal Sportsalbe.

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Meine Paddelkollegen waren bereits angekommen und richteten sich gerade ein. Da konnte es dann schnell zum gemütlichen Teil des Tages übergehen. Unseren Grillmeinster Harry muss ich hier mal wirklich dankend erwähnen. Stets kümmert er sich hervorragend um unser Grillgut und kommt häufig selbst als Letzter zum Essen. Der Abend war dann so gemütlich, dass noch diverse Schnäpse die Runde machten. Entsprechend begeistert war ich dann, als ich morgens gegen halb sechs plötzlich wieder wach wurde. Fuhr da doch tatsächlich einer mit dem Auto vor, ließ etwa zehn Meter von meinem Zelt entfernt dann schön den Radio laufen und stand draußen auf dem Bootsanleger und angelte. Unter diesen Umständen geweckt zu werden, einen dicken Schädel vom Vorabend und alles Andere als nüchtern, fehlte mir gerade noch. Wieder einzuschlafen gelang mir dann auch erst, nachdem der liebe Mensch seinen Fisch gefangen und wieder abgefahren war. Das Erwachen war umso grausamer, als Harry plötzlich vor meinem Zelt stand und zu mir hinein rief. Zeit zum Frühstück. Wir wollen paddeln gehen... Da setzte sich dann ein geistloser Körper mühselig in Bewegung, wusch sich oberflächlich, setzte sich unter den Pavillon zu den Kameraden und ließ den Spott über sich ergehen. Paddeln? Heute? Anscheinend Unmöglich. Ein Paar Becher Kaffee, Frühstück und eine Schmerztablette später siegte dann aber das Ego und der Verstand hatte zum Körper zurückgefunden. Es wurden zwei Fahrzeuge und der Bootshänger nach Aschaffenburg gebracht, was mir noch etwas Schonfrist gab, dann setzten wir ein und begaben uns bei durchwachsenem Wetter auf Tour.
Aldi Süd hatte übrigens gerade erst ultraleichte Sportjacken für 12,99 Euro im Angebot. Wasserabweisend, winddicht und atmungsaktiv, dabei mit einem Packmaß wie die erheblich teureren Packlite-Markenjacken. Diese Jacke bewährte sich bei dem Wetter tatsächlich. Für den Preis macht man da definitiv nichts verkehrt.

Wir hatten insgesamt 28 Kilometer Strecke und drei Schleusen vor uns. Mir ging es überraschend gut nach dem miesen Tagesbeginn, dafür begann Harry abzubauen. Die Anderen schienen soweit ganz fit zu sein, aber es hatte am Abend ja auch nicht jeder gleich tief ins Glas geschaut. Mittagspause machten wir bei Elsenfeld. Dort gab es eine kleine Sandbank zum Anlanden und zu unserer Freude ein mit Sitzsteinen umringter Lagerfeuerplatz. Leider zeugten zahlreiche Scherben von dem etwas respektloseren Umgang mit der Einrichtung. Party feiern und Müll hinterlassen. Toll. Dann kommt man mit seinen dünnen Neoprenschuhen daher und muss bei jedem Schritt aufpassen, um sich nicht zu verletzen.

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Als wir die letzte Schleuse bei Obernau erreichten, waren wir etwas ratlos. Wo war denn die Treppe für den Ausstieg? Konnte es sein, dass es an dieser Schleuse keine Ausstiegsmöglichkeiten für Paddler gab? Ein kleines Motorboot war kurz vor uns angekommen. Von dem stieg man ja einfach nur die Spundwand hoch, aber wie sollte man sich hier aus der Sitzluke hochziehen? Jürgen brachte sein Kajak an die Spundwand und ich stabilisierte ihn mit meinem Boot von der Seite. So konnte er aufstehen, ohne dass sein Boot umkippte, und die Spundwand hochsteigen. Die Treppe für den Ausstieg entdeckte er dann auch sofort. Hatte nicht tatsächlich ein Boot der Strompolizei direkt davor festgemacht! Ich empfand das schon etwas rücksichtslos, oder wenigstens Gedankenlos. Ein einzelner Paddler wäre hier aufgeschmissen gewesen. Wir konnten dann zusammen mit den beiden Männern, die die Motorbootbesatzung bildeten, durchschleusen. Die Kammer war lang genug für uns zusammen. Auch schön. Hätte man sich zwar diesen wackeligen Ausstieg sparen können, aber egal.
Etwa sechs Kilometer lagen noch vor uns. Bei Aschaffenburg ging es dann in den Floßhafen hinein und vorbei an zahlreichen Yachtclubs und einem alten Marine-Schnellboot, an welchem einige Leute emsig strichen, spachtelten und es wohl wieder auf Vordermann zu bringen versuchten. Ein ungewohnter, aber faszinierender Anblick auf dem Main. Bald danach kamen wir direkt bei Schloss Johannisburg an eine kleine Slipanlage, das Ziel unserer Tour. Direkt hinter dem Theoderichstor liegt das Wirtshaus Zum Roten Kopf, die direkt neben der Slipanlage Brauereigarnituren aufgestellt hatten. Es herrschte reger Betrieb und wir waren ein rechter Blickfang, wie wir so nach und nach beim Anlanden die kleine Rampe hinauf rutschten. Alsbald bot sich uns ein besonderes Schauspiel. Durch das Theoderichstor kam eine Meute lustiger Menschen geströmt, angeführt von einem singenden Ziehharmonikaspieler und in Gutenbergsche Trachten gekleidete Zunftmitgliedern. Ziel war das Areal direkt vor der Straußwirtschaft, wo ein Wasserzuber, sowie ein Hocker mit einem nassen Kissen und zwei Schwämmen gleich darauf eine große Rolle bei der Weihe der neuen Buchbinder- und -druckergesellen spielen sollten. Während der Zunftmeister die Weiheworte aus einer Schriftrolle verlas, wurde einer nach dem anderen auf das pitschnasse Kissen gesetzt, bekam die nassen Schwämme über dem Kopf ausgedrückt und wurde danach von den älteren Gesellen in den Wasserzuber getaucht. Was für ein Schauspiel! Herrlich, dass es wenigstens der eine oder andere Brauch in unsere modernen Zeiten gerettet hat.

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Sonntag und alles viel frischer wie am Vortag. Es wurde aber auch nicht so spät und so feucht, wie es noch am ersten Abend war. Der KC Klingenberg hatte auf seinem Gelände zum Sonnwendfest geladen, aber es wurde kalt und begann auch noch zu regnen. Der Angler war in der Frühe auch wieder da, sein Autoradio ebenfalls. Dieses Mal registrierte ich ihn aber nur und schlief weiter. Nach dem Frühstück dann die abschließende Tour. Wir brachten die Boote Stromauf nach Bürgstadt und paddelten von der Slipanlage des WSC Bürgstadt aus die zwölf Kilometer hinab nach Klingenberg zurück. Die Wolken wirkten zwischenzeitlich fast bedrohlich und ich machte mir schon Sorgen, ob wir wohl noch im Trockenen abbauen könnten. Wir hatten aber Glück und der Regen blieb aus. Auf der Heimfahrt konnte ich dann sogar eine Zeit lang die Sonnenbrille auspacken. Danach freute ich mich dann nur noch auf meine Couch.

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